Gedanken aus Südfrankreich

Auf die Sonne im Süden ist Verlass. Immer an der gleichen Stelle kehrt sie ins Meer zurück und hinterlässt zuvor Wärme, Ruhe und Dankbarkeit.

Vieles wird unwichtig.

Ich erkenne in solchen Augenblicken bei mir sogar Anzeichen von Verständnis für menschliche Schurkereien. Warum soll einer nicht auf Kosten des Gemeinwohls seine Finanzen aufbessern, wenn auch andere betrügen und es niemanden stört? Warum nicht eine goldene Rolex als Zusatz für alle?

Wenn ich mit meinen Hunden am Strand laufe und die zahlreichen Mischlinge sehe, die auch viel Charme haben und von ihren Menschen geliebt werden, relativiert sich vieles, auch meine Einstellung zu „Äußerlichkeiten“.

Hier im Süden nimmt man Standard und Stammbaum nicht so genau.

In Frankreich gibt es kurioserweise gutbesuchte sogenannte Hundemessen, selten Rassehunde mit „pedigree“, aber häufig Tiere mit dem Zusatz: „...nach Art eines IS oder eines Golden etc.“.

Mag doch einer mit seinem „nach Art des Setters“ oder des Afghanen auch bei uns seine Runden drehen, wenn es ihm gefällt, vielleicht besser noch als die wuseligen, kleinen, haarlosen irischen Quadratköpfe mit krummen Rücken, die angeblich echte Setter sein sollen.

Ich frage mich, warum ich so unbelehrbar bin?

Warum hat sich in meinem Kopf dieser edle englische IS-Typ mit dunklen Augen, mit so feinen Zügen, mit so klaren Linien, diesem Fell aus dunkelbrauner Seide und diesem sanftem Wesen festgesetzt?

Ich sehe auf unsere beiden Hundemädchen und habe die Antwort.

(Bisou hat ihren Kopf auf Marions Schoß gelegt, Jela hat sich in den warmen Sand gebettet und die Möwen für kurze Zeit vergessen.)

Und sie sehen so aus, wie ich mir einen Setter vorstelle - und wie ich ihn zum ersten Mal 1982 auf einer englischen Show in Begleitung von Janice Roberts und Willy Duijnkerke gesehen habe.

Auf großen Ausstellungen in Frankreich sieht man kaum noch Setter. Spezialzuchtrichter sowieso nicht.

(Ich erinnere mich an eine CACIB in Paris vor einigen Jahren mit zwei Spezialzuchtrichtern und fast 100 Irish Settern. Passé.)

Ist es in Deutschland anders??? Vermutlich bald nicht. Man sagt fälschlicherweise, „ Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Konkurrenz ist aber auch lästig, da der Sieger dann nicht automatisch feststeht.

Ich werde mich wohl damit abfinden müssen und unter der Sonne des Südens fällt das ganz leicht.

Womit ich mich aber nie abfinden werde, ist menschliches Unvermögen unter dem die Tiere leiden.

Leid und Schmerzen zu verhindern, muss die Aufgabe jeder zivilisierten Welt sein.

Vor dreißig Jahren sind meine Frau und ich angetreten, die Speiseröhrenlähmung zu besiegen. Ganze Würfe sind damals in der Wurfkiste verendet. Wir waren auf einem guten Weg. Ich erschrecke, wenn ich die heutige Entwicklung sehe.

Verzweifelte Menschen haben viele Jahre bei uns sogar nachts angerufen, wenn ihre Hunde einen epileptischen Anfall erlitten. Es muss grausam sein, das mitansehen zu müssen. Heute ist das Problem noch lange nicht behoben.

Die Bekämpfung der HD erleidet durch wahllose Importe aus dem Ausland immer wieder einen Rückschlag. Auch Entropium wird wieder „importiert“. Canini Engstand ist in manchen Würfen die Regel. Herzerkrankungen gab es immer und es gibt sie heute.

Wenn ich mir manche Verpaarungen ansehe, frage ich mich:

Weiß es niemand, sagt es niemand, ist es allen egal oder wird alles ignoriert?

Desinteresse (da Glamour wichtiger)?, Inkompetenz (Unkenntnis der einfachsten Vererbungsmodi)?

Zu bedauern sind nur die zukünftigen jungen, vielleicht euphorischen Züchter von morgen,

die darauf eine Zucht aufbauen wollen, vorausgesetzt es wird diese geben.

Jetzt ist die Sonne im Meer verschwunden und nimmt diese düsteren Gedanken mit in die Tiefe.