21.09.2019

Richard Didicher: Zwei Setter auf der Suche nach den Kinderhänden  

Am nächsten Morgen durfte Lovebird seine Kinder natürlich sehen. Feja lag noch müde in der Wurfkiste. Als sie Lovebird sah, bewegte sich leicht ihre Rute, dann schlief sie wieder ein. In der Wurfkiste lagen neun kräftige Welpen, 5 Mädchen und vier Jungs, die auf den Schlaf ihrer Mutter keine Rücksicht nahmen und kräftig fiepend deren Zitzen „bearbeiteten“.

Lovebird näherte sich bedächtig seiner Kinderschar und bevor Ursula die Besuchszeit als beendet erklärte, gelang es ihm noch, einen kleinen Rüden mit einem weißen Fleck auf der Brust mit seiner Schnauze sanft zu berühren.

Hella beschloss, diese Sommerferien bei ihren Großeltern zu verbringen und auf den Badeurlaub am Lago Maggiore zu verzichten. Ihre Begründung: „Oma, Feja und die Welpen brauchen mich.“ Auch Ursula und Noldi freuten sich, als Hellas Eltern zustimmten.

Sie kümmerte sich rührend um die Welpen, legte sie abwechselnd an die hinteren Zitzen der Hündin, die prall mit Milch gefüllt waren und streichelte ihnen den Bauch, um die Mutter zu entlasten. Gelegentlich saugte sich ein Welpe an ihrem Finger fest, da sie diesen mit den Zitzen verwechselten, denn noch waren ihre Augen geschlossen.

Manchmal schlichen sich Lovebird und Charlie an die Küchentür. Sie beobachteten das Treiben in der Wurfkiste. Vielleicht kamen in solchen Augenblicken Erinnerungen bei Lovebird an Rachel und bei Charlie an Bridget hoch.

Wenn Hella die beiden heimlichen „Zuschauer“ sah, eilte sie zur Tür und strich ihnen mit ihrer kleinen Hand über den Kopf. Das machte sie glücklich und sie trollten sich.

Mit vierzehn Tagen öffneten die Welpen ihre Augen und wenn Lovebird und Charlie sich wieder mal in die Küche schlichen, wurden sie von der Welpenschar schon mal mit einem heiseren Bellen empfangen. Besonders der kleine Rüde mit dem weißen Fleck musterte sie, so als wollte er fragen, welcher von den beiden wohl sein Vater sei.

Zwei Wochen später wurden sie von Hella einzeln in den Garten gebracht. Die erwachsenen Hunde beschnupperten die Kleinen und verloren schnell das Interesse an den Rabauken, die ihnen mit ihren kleinen spitzen Zähnen ziemlich zusetzten.

Auch Feja war froh, sie mal für eine Zeit vom Hals zu haben. Sie schlich sich, wenn die Küchentür offen war, auf ihren Teppich in die Küche zurück.

Nur Lovebird konnte nicht genug von den Kleinen bekommen. Er tobte mit ihnen bis zur Erschöpfung.

Sie bissen sich an seinen Ohren und seiner Rute fest und ließen sich von ihm hinterherziehen.

Wenn Ursula und Hella beim Einkaufen waren, hatten in erster Reihe die Hausenten das Nachsehen.

Jetzt gesellte sich auch Charlie zu der verrückten Meute und führte den Kleinen stolz seine Vorstehmanieren vor. Als die Kleinen an den Schwanzfedern der Hühner Gefallen fanden, war der Spaß aber begrenzt, denn der riesige weiße Hahn verteidigte sein Harem vehement gegen die Übergriffe der kleinen Rabauken.

Auch Ursula griff ein, wenn das Treiben zu bunt wurde.

Mit acht Wochen waren die Kleinen kaum noch zu bändigen. Sie gruben sich kleine Höhlen in die Blumenbeete und verteidigten diese laut kläffend gegen jeden „Eindringling“.

Wenn sie Lovebird zu stark zusetzten, knurrte er schon mal mächtig, um den Übermut seiner Kinderschar etwas zu bremsen. Charlie sah dem Treiben zu, er genoss ebenfalls diese unbeschwerte Zeit. Die monotonen Monate in der verlassenen Schule mit dem schlechten Geruch der Jungentoiletten, die kargen Mahlzeiten, ja sogar die Tortur mit dem Elektrohalsband, alles gehörte der Vergangenheit an. Diesen Menschen konnte man vertrauen, hier fühlte man sich zu Hause.

Nur manchmal, wenn er sich von allen unbeobachtet fühlte, stand er am Gartenzaun und sog den Duft der Wildnis ein.

Wenn er dann wieder von Hella in den Arm genommen wurde, hatte er scheinbar ein schlechtes Gewissen und er wollte ja nicht undankbar sein. Als Zeichen seiner Zuneigung schleckte er innbrünstig Hellas Handfläche.

An einem verregneten Morgen waren Chalie und Lovebird allein im Garten. Hella schlief an diesem Tag etwas länger, Ursula bereitete das Frühstück vor und Noldi las, wie jeden Morgen, seine Zeitung. Die anderen erwachsenen Hunde, aber auch die Welpen, zogen es vor in der warmen Küche vor sich hin zu dösen.

Die beiden Freunde trabten gemächlich am Gartenzaun entlang und genossen es, allein zu sein.

Plötzlich hielt ein weißer Lieferwagen vor dem Tor, zwei Männer stiegen aus und näherten sich dem Grundstück.

Das süßliche Parfüm von Hüpfer und der herbe Geruch von Grunz‘ Lederjanker eilte ihnen voraus.

Die beiden Hundenasen fingen sie auf und sie wussten, dass ihnen höchste Gefahr drohte.

Instinktiv versuchte Charlie über den Gartenzaun zu springen in der Hoffnung, dass ihm Lovebird folgen werde. Doch dieser rannte bellend in Richtung Küche, um seine Welpen zu beschützen.

Als Charlie das sah, folgte er seinem Freund.

Fortsetzung folgt am nächsten Wochenende.

Nächste Folge bereits heute unter: https://tieremenschengeschichten.de.tl

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