Richard Didicher - 02.03.2019: Feu, der stolze Franzose

Feu du Sentier aux Mimosas (Das Feuer aus dem Mimosenduft), er hatte alles was man sich bei einem Setter wünscht: Adel, Überlegenheit, Jagdpassion. In einer Zeit als die Setter noch massig und behäbig sein sollten, war Feu das Gegenteil: elegant, geschmeidig, edel im Ausdruck, die Haarpracht in einem satten Mahagoni.

Die Welt war im Umbruch. Das Jahr 1990 war ein Wendepunkt in der Geschichte. Die beiden deutschen Staaten wieder ein gemeinsames Land, das am 3. Oktober seine Wiedervereinigung beging. Trotz aller Schwierigkeiten überwog die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben in einem ungeteilten Land und in einer endlich nicht mehr geteilten Hauptstadt Berlin. Im März wurde Michail Gorbatschow zum Präsidenten der UdSSR gewählt. Das Ende des Kalten Krieges…. dachte man. (Putin war damals ein kleiner deutschsprechender KGB Funktionär in Ostberlin.)

Was zählt in einer solchen Zeit schon die Geburt eines kleinen Setters. Für alle anderen bestimmt gar nichts für uns sehr viel. Unsere Setter waren Teil unseres Lebens und über diesen Wurf freuten wir uns. Es sollte ein französischer sein, um die „Der Mimosen“ nicht aussterben zu lassen, da Danaes französische Schwester durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam.

Die Körung in Frankreich in der Champagnerhauptstadt Reims hatte einen symbolischen Charakter. Sie war der Anfang der Creation eines Cuvés aus den besten Zutaten, nicht übertrieben abhebend, dennoch ein erlesenes Bouquet, ähnlich einem Veuve Cliquot mit dem wir die Körung begossen. Der Richter sagte: „Ein exelent kann ich geben, besser geht nicht“.

Feu trug also den Familiennamen seiner französischen Mutter und war ein Enkel des alten Kapitäns, den er zeitlebens hasste. Hier trafen zwei Gegensätze aufeinander: der alte deutsche Haudegen, ein selbstherrlicher Bismarck und sein Enkel ein kleiner Napoleon, selbstbewusst und eitel. Und die Geschichte wurde neu geschrieben; keine Demütigung der Franzosen im Spiegelsaal von Versailles, der Alte musste zurückstecken und in schwierigen Zeiten ins Exil, wenn auch nur über die Straße.

Ohne den störrischen Großvater war seine Kindheit unbeschwert. Seine Spielgefährtin Heidel wurde seine Jugendliebe und beide übten schon im kindlichen Alter, um für den Fortbestand der Red Loves zu sorgen. Als es dann so weit war, sah man, dass das Üben sich gelohnt hatte, denn der Kindersegen fiel doch zu reichlich aus: 16 Welpen!

Einer seiner Söhne aus diesem Wurf Julius genannt Joli sollte seine Gene weitertragen. Obwohl sein Besitzer ein Mann voller Güte und Toleranz im Umgang mit Joli, stets der Meinung war, dass Joli alles richtig machen möchte und ich ihm natürlich nicht widersprochen habe, war ich immer der Meinung, dass dieser Bengel, doch mehr von den Anlagen oder Nichtanlagen seines niederländischen Großvaters Harvey, der für mich nicht der Hellste war, mit bekommen hatte.

Wunderschön war das gemeinsame Feldtraining in den Wormser Rheinauen, wo Julius emsig die Hasen hetzte. Für Den Sohn blieb deshalb der Prüfungserfolg auch aus, während Vater Feu im tiefsten Bayern bei einer Frühjahrsprüfung mit einem Vorzüglich Tagesbester wurde.

In einem Weizenfeld am Rande eines kleinen bayrischen Dorfes sollte Feu sein Können unter Beweis stellen. Bedingt durch die Windrichtung war die Suche Richtung Ort angelegt. Der Franzose arbeite schnell und zielstrebig, plötzlich stand er fest vor. In der Ferne sah ich, die Hühner im Garten eines Bauerhofes. Das also war das vermeintliche Wild. Ich brach die Suche ab und versuchte ihn abzurufen, er kümmerte sich wenig um mein Gepfeife und stand weiter fest vor. Der Richter, ein erfahrener freundlicher Knabe, rief mir zu, dass ich endlich zum Hund gehen sollte. Als ich einige Meter von diesem entfernt war, strich ein Fasan ab und Feu äugte ihm verliebt nach. Ein Vorzüglich im Feld ist ein Preis für Könige!

Majestätisch war auch seine Rückkehr in seine Hauptstadt. Paris lag ihm zu Füßen. Es war die wichtigste französische Ausstellung des Jahres, das Championat de France in Longchamp bei Paris.

Als wir in den Ring kamen, ging ein Raunen durch die Zuschauer: “das ist Feu!“. Er gewann alles, wurde Rassebester. Die ergreifende Darbietung im Ehrenring wird mir immer in Erinnerung bleiben. Alle Zuchtrichter in Schwarzem Barett erhoben sich bei jedem Sieger von ihren Plätzen.

Unter den Klängen der deutschen Nationalhymne betraten wir den Ehrenring und das Publikum applaudierte. Erinnerungsfotos mit der Sacre Coeur als Hintergrund. Rien ne va plus!

Doch der Tag war noch nicht zu Ende. Am späten Nachmittag besuchten wir Freunde auf ihrem Landgut in der Nähe von Paris, um Feus Kinderschar, das Produkt einer amourösen Beziehung mit einer französischen Hundedame, die uns mit ihrer Besitzerin in Bammental besuchte, zu bestaunen.

Zehn kleine Setterlein tummelten sich auf dem alten Anwesen mit hohen alten Steinmauern zwischen Enten, Fasanen, Wachteln und allem möglichen Federvieh. Das aufregendste war das Fotoshooting: Vater, Mutter, Kind. Die Kleinen hatten bereits ein neues Zuhause gefunden, die meisten scheinbar bei Damen der Pariser Gesellschaft, die überglücklich zwischen dem Federvieh und dem, was dieses von sich ließ, herumbalancierten und gekonnt in die Kamera lächelten.

Natürlich bestand das Menu am Abend vom eigenen Hof: Wachteln und ihre Eier, Gänseleber und Entenbrust und vieles mehr.

Natürlich servierte der Hausherr einen ausgezeichneten Champagner, da dieser zu Feu passe.

Das Prachtstück der Liebe war die kleine Mirtille, die natürlich als Erbprinzessin auserkoren war und die munter auf dem Teppich ihre Pfützchen verteilte.

Sie trat in die Fußstapfen ihrer Eltern und jedesmal, wenn sie mal wieder einen Sieg heimholte, und es waren zahlreiche, kam ein Anruf: Mirtille as gagne( M. hat gewonnen).

Heute sind Mirtille und ihr Besitzer im Menschen- Hundehimmel und erzählen sich Geschichten von ihren gemeinsamen Jagderlebnissen. Angeblich kommt manchmal auch Feu mit Opa Captain vorbei, der gelangweilt aber friedlich zuhört, denn er war nie ein großer Jäger.

Die letzten Jahre seines Lebens störte ihn das Treiben der anderen. Wenn ich mich in Erziehung eines Halbstarken übte, legte er sich hinter einen Strauch oder Baum, um nicht beteiligt zu sein, wie ein alter Philosoph, dem alles Laute zuwider ist. Zudem hatte er sich eine neue Herausforderung gesucht. Er ignorierte mich fast, um sich als treuer Leibwächter meiner Frau widmen zu können, die er auf Schritt und Tritt bewachte, wenn er nicht neben seinem Freund Frederick im Korb lag, der natürlich für beide zu klein war, was sie aber nicht störte.

In seinem letzten Jahr suchte er wieder meine Nähe, sein Kopf wurde kindlicher, sein Blick war der eines müden alten Mannes und ich war dabei als er die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte.

P.S.: Eigentlich hatte ich kein Recht diese Geschichte zu schreiben. Feu war nach der ersten Begegnung mit meiner Frau nicht mehr mein Hund. Über ihn zu sprechen, fällt ihr heute noch schwer. „Er hat mich einfach adoptiert“ sagt sie nur.