Richard Didicher - 28.04.2019 - Amy, der wunderbare Hund meiner Frau

Viele Erinnerungen verschmelzen in einem Tag. Wir machen unseren letzten Spaziergang. Sie ist glücklich, schnappt sich auf den Streuobstwiesen eine reife Birne und trägt sie nach Hause.

In unserem Garten vor dem Taubenhaus steht sie voller Spannung einer Taube vor, legt sich in ihren Korb, um nie mehr aufzustehen.

Zwölf Jahre ausgelöscht. Jetzt ruht sie an einem geheimen Ort neben sechs Generationen Red Loves, still und nur mir bekannt.

Was tut sie wohl in ihrem Setterhimmel mit Denise, Captain, Lovely, Feu und Fleur, Marco und Murielle, Julius, Frederik, Stella, Fire und Hazel und natürlich auch mit der alten Bianca? Vielleicht jagen sie durch hohe Weizenfelder die Himmelrebhühner oder sie liegen friedlich in der Sonne und stellen sich vor, sie wären in der Camargue.

Sind sie glücklich? Oder fehlen ihnen die Menschen trotzdem ein wenig? Besonders Amy brauchte uns so, mich als Promotor für ihr Bedürfnis nach regen Aktivitäten, meine Frau zum Schmusen.

Selbst wenn mich heute die Titel im Feld befremden - ich habe zu viele Hunde gesehen, die glücklich durch die Felder rasten, um nachher wieder Wochen im Zwinger zu darben - war ich damals von Amys Vorstehen verzaubert. Kaum einjährig bestand sie die Prüfung im Feld mit einem ausgezeichneten Punkt.

Amy war VDH-Champion und Internationaler Schönheitschampion, getreu der Familientradition, ein ungeschriebenes Gesetz, das ihre Urgroßmutter Lovely allen „Nachgeborenen“ auferlegte, da etwas Besonderes.

Ob das wichtig ist? Damals schon, heute nicht mehr.

Wichtiger als alle Titel waren ihr grandioses Wesen und ihre Klugheit.

Sie war mutiger als ihre Mutter und wollte in jedem Bereich mitmischen. Bei einem Wesenstest, den ich richtete – Amy stand mit meiner Frau außerhalb des Geländes, beide als stille Beobachter-versuchte ich mit einer Rehdecke (noch nicht gegerbte Rehhaut) den Prüflingen Wildgeruch zu simulieren. Es kam es zu Hysterie unter den Teilnehmern, da dieser Geruch die Hunde erschrecke. Amy zwängte sich plötzlich durch die Absperrung, schnappte sich die Decke und brachte sie meiner Frau. Viele verdutzte und auch verschämte Gesichter, doch die Aufregung war vorbei.

 

Was sie tat, tat sie gerne und aus freien Stücken. Das Federwild der Camargue war ihre Passion, was sie aber hasste, war Zwang.

Sie schwamm wie ein Fisch durch die vielen Kanäle, die Aigues Mortes einsäumen, doch Apportieren war Pflicht, sie aber liebte die Kür und lehnte meine Anweisungen, die Dummy-Ente aus dem Wasser zu holen, strikt ab.

Sie tat dies nicht mit ängstlichen Gebärden, wie man sie des Öfteren bei Hunden, die durch Zwangsapport gefügig gemacht wurden, sehen kann, nein, sie rebellierte lautstark, bis zum Bauch im Wasser stehend, indem sie mich anmaulte.

Als sie diese Trotzphase überwunden hatte, machte ihr diese Tätigkeit richtig Spaß.

 

 

Einige Jahre später fischte sie die Strohhüte der Damen, die der Mistral von den Touristendampfern ins Wasser wehte, aus dem Kanal heraus.

Strömungen und Wellen machten ihr nichts aus.

Mit dem Alter wurde sie noch sanfter, sie liebte die Ruhe und die Nähe meiner Frau, unsere ausgiebigen Fahrradtouren die Kanäle entlang und natürlich die Abkühlungen im frischen Nass.

Sie schlug den Weg ein, der typisch für die meisten unserer Hunde ist:

Wenn sie jung sind, stürzen sie sich mit mir in die grüne Welt voller Abenteuer, wenn sie alt sind, suchen sie die Geborgenheit und die Hände meiner Frau, so als wollten sie sagen:

„Es ist vollbracht.“

 

Mir fallen die Verse von Rilke ein:

„Herr es ist Zeit, der Sommer war sehr lang, gib mir noch ein Paar reife Tage.“ Diese Tage genießen unsere Hunde ganz besonders und besonders Amy hat jeden davon genossen. Sie hat mit uns den Süden bereist auf den Klippen von La Grande Motte posiert.

Sie war immer gerne da, wo auch wir waren.

Und sie lebt weiter in ihrer Tochter, der Kleinen Amy, diese erfolgreiche Hündin, die die Dynastie der „Red Rising Suns“ begründete. Und ihren Söhnen Jeff, Campino, den beiden Opernstars Carlos und Rodriguez oder des von seiner Familie vielgeliebten Reitbegleiters Derry (von uns wegen seiner unvergleichlichen Bewegung als Welpe Elvis genannt), der bei einem Reitunfall seines Herrn treu bei diesem aushielt bis der Krankenwagen kam.

Wenn ich die fragenden Augen unserer kleinen Bisou sehe, muss ich an ihre Urgroßmutter Amy denken und meiner Frau kommen auch heute noch sofort die Tränen.