Richard Didicher - 19.05.2019 - Hazel, der Diener seines schwedischen Königs

Unsere Reise nach Schweden war wichtig für mich, sie hat mir die Augen geöffnet und ich war endlich in der Lage, Hazel zu verstehen.

Diese Freundlichkeit in Hazels Augen, sie kommt von den Menschen, die ihn in seiner Kindheit geprägt haben.

Es sind ehrliche Menschen und man merkt sofort, dass sie nicht den ganzen Ballast der Geschichte mit sich herum tragen, selbstbewusst und schön, besonders die Frauen.

Ich würde so gern diese Sprache sprechen, die diesem großen Setterjungen verständlich gemacht hat, dass der beste Platz auf Erden auf Mutters Sofa ist.

Diesen hat er auch nach einigen Jahren deutscher Erziehung schnell wieder gefunden und das mühsam in einer fremden Kultur erlernte Prinzip, dass die Couch eigentlich den Menschen gehört, sofort wieder vergessen. Auch die Spiegeleier, die ihm Mutter Anne zu Frühstück briet, waren immer noch die gleichen.

Ich habe wieder den Reiz der Langsamkeit entdeckt, und auf diesen langen Autobahnen mit Tempo 80 bis 100kmh mir wieder antrainiert. Es ist so herrlich, auch auf der Autobahn noch etwas von dieser Welt mitzubekommen. Enttäuscht war nur meine Frau, da sie nur die vielen Elchschilder fotografieren konnte, aber nie einen Elch in freier Natur.

Manchmal bewegt sich gar nichts, selbst die Schnaken in Tommys Garten stechen langsamer als die in Deutschland oder Frankreich. Alles erstarrt zum Gemälde, wie der Anblick der drei majestätischen Rüden Hazel, sein Vater Balthazar und sein Bruder Seven auf einer schwedischen Holzterrasse. Sie stehen ohne Neid und Missgunst nebeneinander. Die drei Könige aus dem Abendland. Welch ein Anblick!

Hazel sollte sein Land kennen lernen und wir wollten das auch.

Wir genossen mit unseren Hunden den Sonnenuntergang an den zahlreichen schwedischen Seen und streiften durch für uns unberührte Wälder.

Wir ließen uns von Hazels Züchter Tommy überreden, in Uppsala eine große Ausstellung zu besuchen, so nur zum Spaß, wie er meinte. Balthazar, Seven und der alte Freddy waren dabei und plötzlich war der Showzirkus zweitrangig. Es war ein Familienfest und Hazel gewann sogar seine Klasse.

Wir fuhren nach Öland zur königlichen Sommerresidenz und Hazel suchte emsig die umliegenden Wiesen nach Wild ab. Wahrscheinlich wollte er für Marion den langersehnten Elch finden, doch er fand nur einen Teil eines Elchgeweihs. Die großen Tiere, die er in Unkenntnis seiner Heimat dafür hielt, waren die Hausrinder des Königs.

Bevor wir weiterfuhren, bot ich ihm an, hier im Dienste seines Königs zu bleiben, wie es sich für einen richtigen Schweden gehört.

Dieser Vorschlag schien ihm nicht geheuer. Die Autotür stand offen und der „Diener seines Königs“ nahm sofort seinen Platz ein. Für mich wieder einmal ein Beleg für meine These, dass die Hunde und speziell die Setter die Sprache der Menschen verstehen, leider fehlt ihnen die Gabe uns zu antworten und das ist gut so, vor allem für uns Menschen.

Und dennoch sind Hazels Lehrjahre in Deutschland nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. In seinen Adern fließt das Blut seiner irischen Vorfahren und blitzschnell wandelt sich die Statik in Dynamik. Seiner feinen Nase entging gar nichts. Es müssen nicht unbedingt irische Moorhühner sein. Ein Hauch von Federwildgeruch verwandelte ihn zur deutschen Maschine, schnell, sicher und präzise. Zu unserer Überraschung gab es im Umfeld des Schlosses sogar Rebhühner.

Von Schweden ging es wieder nach Frankreich und Hazel streifte glücklich durch die Auenwälder und brachte mir so manches kranke Kaninchen, lebend versteht sich, denn er war kein „Killer“, sondern ein Vorstehhund. Wahrscheinlich wollte er, dass ich diesen erbärmlichen Geschöpfen, die an Myxomatose erkrankt waren, helfe. Welch schreckliches Verbrechen des Menschen an diesen armen Tieren.

In der Vor-und Nachsaison gehört der Strand unseren Hunden und natürlich den anderen bellenden Geschöpfen der Umgebung.

Langweilig, denn immer der gleiche Trott - sollte man meinen. Hazel war aber erfinderisch.

Er fand jeden Ball, den Kinder irgendwann am Strand vergessen hatten, oder auch solche, die das Meer nach Wochen wieder ans Ufer spülte, und er trug sie tagelang stolz durch die Gegend. Fatal wurde es nur, wenn an sonnigen Herbsttagen Kinder sich zum Fußballspiel am Strand einfanden. Jetzt war für Hazel „ Leinenzwang“ angesagt, denn er griff sich schneller als man es für möglich hielt den Ball und verschwand in den Dünen. Den verdutzten Kindern fiel die Aufgabe zu, ihm den Ball wieder abzubetteln.

An warmen Tagen verkroch er sich in einem alten Boot, das vor Jahren hier „vergessen“ wurde und das der Wind mit feuchtem Sand gefüllt hatte, und döste vor sich hin.

Ausstellungen waren für ihn eine Ansammlung von freundlichen Menschen und Hunden. Anders konnte es doch nach seiner“ Weltanschauung“ gar nicht sein. Die bösen Worte seiner Neider überhörte er einfach. Später machte ihn das Posieren müde, zwischendurch drehte er aber richtig auf und zeigte es seinen Konkurrenten. Wahrscheinlich nur, um mir eine Freude zu machen.

Und dann kam die Ausstellung in Werl. Die Einladung von Fires großem Sohn Miles konnten wir nicht ausschlagen, also fuhren wir hin. Wieder ein Fest, viele bekannte Hunde- und Menschengesichter. Doch diesmal war alles anders.

Hazel ließ sich seine Krankheit nicht anmerken, er war glücklich.

Wir wollten dabei sein. Noch einmal vorne zu stehen, kam uns nicht in den Sinn.

Als die Richterin sich aber für Hazel entschied und er stolz seine Ehrenrunde drehte, war ich sehr traurig.

Wir verließen die Halle. Auf einer grünen Wiese kam er mir mit erhobenen Haupt und wehendem Haar auf mich zu. Ein Lauf in die Ewigkeit.

So stolz und so erhaben kommt er mir heute noch in meinen Erinnerungen entgegen.

P.S.:

Monate lang haben wir um das leere alte Boot am Strand einen Bogen gemacht.

Vor wenigen Tagen haben wir es gewagt, uns wieder der Stelle zu nähern.

Bisou lief freudig auf das Boot zu und nahm es sofort in Beschlag.

Und ich bin endlich dazu fähig, die Geschichte zu Ende zu schreiben.