Marion Didicher - 02.06.2019 - Feu, mein kleiner Franzose!

Das erste Mal sah ich ihn im Frühjahr 1991. Es war der Beginn einer großen Hundeliebe.

Er war etwa ein halbes Jahr alt, stand im Garten und beobachtete angestrengt eine dicke Stubenfliege. Nur kurz schaute er mich mit seinen dunklen Kirschaugen an, als ob er fragen wollte: „Was machst Du denn da? Gehörst Du überhaupt hier her?“ Seine gesamte Aufmerksamkeit galt eben jener Fliege und zusätzlich seiner späteren „Ehefrau“ Heidel, eigentlich The Red Love Heidelberga.

Es bedurfte einer Menge Leckerli und halbleeren Bechern Schokopuddings, die er immer ausschlecken durfte (und nur er; versteht sich von selbst), um ihn davon zu überzeugen, dass auch ich einen Platz in Didichers Hunderudel suchte.

Er dagegen hatte mit der Vorstellung von seiner Position im Rudel keine Probleme. Seine Mutter Lovely war „unantastbar“, danach kam er. Dass auch noch sein Großvater Captain mitreden wollte, akzeptierte er nicht. Es kann eben nur eine Sonne geben. Gut, dass Captain bei der Nachbarin auf der anderen Straßenseite wohnte. So konnte der kleine Franzose ungestört bei uns sein Ego pflegen und eben auch die Freundschaft zu mir.

Bis heute habe ich keinen Hund mehr kennengelernt, der empathischer war als er. Jede Stimmung, ob Ärger, Traurigkeit oder gute Laune, las er von den Augen ab, tröstete oder freute sich mit und zeigte dabei stets seine Zuneigung.

Manchmal hatte ich das Gefühl, er habe mich adoptiert. Er passte auf mich auf – die kann man doch nicht alleine in die Welt lassen. Also war sein Platz an meiner Seite oder unter dem Tisch zu meinen Füßen. Setzte ich mich beim Spaziergang auf eine Bank und das restliche Rudel wanderte weite, kam er nach einigen Metern zurück und setzte sich neben mich. Aufpassen war die Devise.

Je älter er wurde, desto deutlicher zeigte er, wer nach seiner Meinung „Chef“ war. Zuerst in der Rangordnung kam der „Oberboss“ Richard, dann aber er.

Schimpfte der Oberboss, stellte er sich abseits und beobachtete. Ihn konnte das Ganze ja nicht betreffen.

Mit zunehmendem Alter beschlich mich auch immer mehr das Gefühl, er verstehe jedes unserer Worte. Lag er zum Beispiel während des Essens wie immer unter dem Tisch und wir unterhielten uns über ihn, bewusst ohne seinen Namen zu nennen, signalisierte nach kurzer Zeit ein deutliches Klopfen mit der Rute, dass er durchaus verstand, dass es um ihn ging.

Nach drei Jahren uneingeschränkter „Alleinherrschaft“ bei den Red Loves gesellte sich ein zweiter junger Mann zum Rudel, der Engländer Erinade Frederik. Aus der Geschichte weiß man ja, dass Engländer und Franzosen nicht immer harmonisch miteinander auskamen. Hier bei uns war das anders. Feu und Frederik – ein Team, eine echte Männerfreundschaft.

Als Feu uns verließ, war auch Frederik tieftraurig. Jedes Mal beim Füttern schaute er zur Tür und wartete, ob Feu vielleicht doch noch kommen würde, denn Futter hatte dieser selten ausgelassen. Erst Wochen später hatte er sich damit abgefunden, dass niemand mehr kommen würde.

Damals dachte ich, dass es nie mehr einen Hund geben würde, zu dem ich solch eine Verbindung aufbauen könnte.

Durch die folgenden Geschlechter wurde ich eines Besseren belehrt.

Sie fragen sich bestimmt, warum noch einmal eine Wochengeschichte über ein und denselben Hund geschrieben wird? Es sind eben doch sehr unterschiedliche Erlebnisse, die wir mit einem Hund haben und jeder hat andere schöne Erinnerungen.