23.06.2019: Marion Didicher - AMY - oder - Ein Welpe eroberte mein Herz im Sturm

Schon Amys Mutter Murielle war eine besondere Hündin, war sie doch die Tochter von Frederik und die Nichte meines Feu; schön, sanft und klug. Nur Ausstellungen mochte sie nicht, deshalb war sie in der Setterwelt auch nicht bekannt. Wer aber kann noch etwas Schönes an solchen Veranstaltungen finden, wenn man gleich beim ersten Event dieser Art auf die Pfoten getreten bekommt, nur weil es der Hintermann beim Eintritt noch eiliger hat?

Außergewöhnlich war schon die Geburt dieses Wurfs. Murielle hatte wohl schon am 57. Tag die Nase voll von ihrer Schwangerschaft und brachte neun große, dicke Welpen zur Welt, mit unterstützt von unserer Freundin Angelika. So kam es, dass Amy von Anfang an eine Patentante hatte.

Nachdem die Welpen ihre Augen geöffnet hatten, begann die übliche Kraul- und Spielstunde am Nachmittag. Sehr schnell lernten die Kleinen, wann der Spaß begann und saßen schon in Wartestellung an der Tür des Welpenzimmers. Ganz vorne immer die gleiche kleine Hündin, die mich mit erwartungsvollen großen Augen ansah, wenn ich mich setzte, dicht an meine Seite kam, um sich dann auf den Rücken zu legen und sich ausgiebig kraulen zu lassen – meine Amy!

Dieses Spiel behielten wir bis in ihr hohes Alter bei, es hieß „den dicken Bauch kraulen“ und war wohl für uns beide ausgesprochen wichtig.

Folge dieses Spiels war, dass es keine langen Diskussionen gab, ob und welchen Welpen wir behalten sollten. Nichts und niemand hätte mich dazu bewegen können, dieses kleine Wesen noch einmal herzugeben.

So blieb sie also bei uns.

Im Alter von neun Monaten für sie dann das erste Mal mit uns in Urlaub. Wir hatten das erste Mal ein Ferienhaus in der Camargue gebucht, das Haus unserer heutigen Freundin Hedy. Und damit begann nicht nur unsere Liebe zu Aigues Mortes, sondern auch die zweite dicke Freundschaft zwischen Mensch und Hund. Amy war nämlich auch von Anfang an der erklärte Liebling von Hedy. Noch nicht einmal das ein einer Ecke angeknabberte Sofa, von Eva und mir mehr oder weniger fachmännisch auf die Schnelle ausgebessert, nahm Hedy ihr übel.

Amy liebte Frankreich, nicht nur wegen der vielen Leckereien und Geburtstagsgeschenke, die Hedy regelmäßig für sie brachte.

Sie liebte die Kanäle, in denen sie oft hunderte von Metern neben uns her schwamm, wenn wir spazieren gingen. Genauso liebte sie die verwilderten Flächen rechts und links der Rhonekanäle mit zahlreichen Kaninchen, Fasanen und Rothühnern. Das war richtiger Hundeurlaub, nicht nur für sie, auch für den Rest des Rudels (und für deren Nachkommen heute noch).

In Frankreich wurde sie auch zur „Madame Brot“, denn die Baguettereste vom Vortag waren für sie ein Hochgenuss. Darauf bestand sie, dafür machte sie (fast) alles.

Eigentlich hätte sie auch Zirkushund werden können. Ob „give me five“ oder „Wie schämt sich der Hund?“ (=Pfoten übers Gesicht), sie machte jeden Blödsinn mit. Nur eines überraschte sie immer wieder: Dass der Tisch, unter den sie sich so herrlich unbeaufsichtigt legen konnte, auch eine Tischplatte besaß, an der man sich dann regelmäßig beim Aufstehen den Kopf anschlug. Das brachte ihr bei unseren Kindern den zweiten Beinamen „Beuli“ ein.

Amy teilte sich ihre Welt sehr genau auf. Für Ausstellungen und Feldarbeit war mein Mann zuständig – und nur er. Da ließ sie sich nicht davon abbringen.

Spaziergänge hatte sie am liebsten, wenn alle mit dabei waren, ebenso Ausflüge mit dem Fahrrad.

Schmusen, Spielen und Füttern waren meine Aufgaben.

Ich könnte noch seitenlang über sie schreiben. Immer wieder würden die gleichen Begriffe vorkommen: Liebe, Treue, Sanftmut, Verspieltheit; aber auch gekonntes Vorstehen und Jagdpassion.

Es tut gut, über sie zu schreiben. Über sie zu sprechen, fällt mir auch heute, viele Jahre nach ihrem Tod, noch schwer.

Da sitzt immer noch dieser Kloß im Hals, der wohl nie ganz verschwinden wird.