14.09.2019

Richard Didicher: Zwei Setter auf der Suche nach den Kinderhänden  

Fortsetzung

Lovebird hatte endlich das Gefühl, angekommen zu sein und als sich am Abend sein Schwarm Feja auf seiner Decke breit machte und ihm dabei nur noch einen Zipfel davon übrig ließ, war für ihn die Welt in Ordnung.

Charlie, den das Abenteuer, die Felder und Wälder zu durchstreifen, schon noch reizen würde, hatte aber keine Wahl. Er musste auf Lovebird aufpassen, denn aus seiner „Rudelerfahrung“ heraus, traute er dem alten Fame nicht und wenn er sich nicht beobachtet fühlte, sah er dem alten Kerl direkt in die Augen. Dieses Drohstarren hatte ihm während seines „Zwingerdaseins“ auf dem ehemaligen Schulgelände manch einen streitsüchtigen Jungrüden vom Hals gehalten.

Im Notfall müsste er Lovebird verteidigen, denn seit ihrer gemeinsamen Fahrt im dunklen Laster auf der Fähre zwischen Dover und Calais fühlte er sich für ihn verantwortlich.

Die nächsten Tage wurde ihre Freundschaft zum ersten Mal auf eine harte Probe gestellt, denn Lovebird hatte nur noch Augen für Feja.

Charlie musste insgeheim zugeben, dass dieser unwiderstehliche Geruch, der von Feja ausging, einen Rüden schon „kirre“ machen konnte. Er wusste, dass jetzt der alte Fame unberechenbar werden könnte und Lovebird in höchster Gefahr war. Deshalb ließ er den Alten nicht aus den Augen.

Eines Morgens, als Ursula den Kaffeetisch deckte und noch etwas verschlafen in den Garten blickte, fiel ihr vor Schreck die Kaffeetasse aus der Hand. Sie stieß einen Schrei aus, so dass ihr Mann Noldi erschrocken herbeieilte. Beide starrten durch das Fenster in den Garten. Hier standen Lovebird und Feja eng beieinander und schauten verklärt Richtung Küche.

„Und jetzt? Wir wollten doch keine Welpen mehr“ sagte Ursula. Ihr Mann Noldi erwiderte in seiner ruhigen Art: „Jetzt ist es wohl zu spät. Hella wird sich freuen und du, wie ich dich kenne, auch.“ Er nahm sich eine Tasse Kaffee und verzog sich mit einem versteckten Lächeln in sein Labor.

Nach einigen Tagen schien Fejas Liebe abzuflauen und sie knurrte Lovebird sogar an, wenn er ihr zu nahe kam. ( So ist es nun mal bei Tieren). Dieser war etwas enttäuscht und er kehrte fast reumütig an die Seite von Charlie zurück.

Charlie war nicht nachtragend, im Gegenteil, er freute sich mächtig, als sein Freund wieder seine Nähe suchte.

Auch der alte Fame beruhigte sich wieder. Er ignorierte die beiden Neuen einfach und verzog sich, so oft es ihm möglich war, in das Arbeitszimmer von Noldi im Labor. Hier hatte von allen Vierbeinern nur er Zutritt.

Die folgenden Wochen waren für alle unspektakulär, aber auch schön. Diese friedliche Stille wurde nur gelegentlich getrübt, wenn ein Bussard vorbeiflog und die Hühner ordentlich in Aufruhr gerieten oder wenn der Postbote kam und die Hundeschar sich verpflichtet fühlte, diesen Ursula zu melden.

Feja aber wurde immer runder und sie fand an dem Treiben im Garten immer weniger Gefallen. Ihr Lieblingsplatz war jetzt der Teppich, den Ursula für sie unter den großen Küchentisch, an dem am Wochenende die ganze Familie Platz nahm, zurechtgelegt hatte. Feja fühlte sich jetzt einfach in der Gesellschaft der Menschen wohler und sie wurde von Hella, die jetzt jedes Wochenende auf dem Bauernhof verbrachte, rührend umsorgt. Sie streichelte Feja den Bauch und jedes Mal jauchzte sie auf, wenn sie spürte, dass ein Welpe sich bewegte.

Lovebird sah sie nur noch, wenn sie sich an sonnigen Tagen in das Gras unter den schattigen Birnbaum legte, um etwas zu schlafen. Manchmal aber suchte sie wieder seine Nähe und er war überglücklich. Er schleckte ganz hingebungsvoll ihre Ohren. Wenn es ihr zu viel wurde, kehrte sie in die Küche zurück. Darüber freute sich besonders Charlie, denn das „Spektakel“ ging ihm mächtig auf die Nerven.

An den folgenden Tagen waren Ursula und Noldi dabei, eine Wurfkiste zu basteln. Die Arbeit im Labor musste warten, es gab jetzt Wichtigeres zu tun. Nur der alte Fame hielt jetzt im Labor die Stellung und wenn er launisch war, erlaubte er selbst Noldis Mitarbeiter nicht, dessen Arbeitszimmer zu betreten.

Eines Abends spürte Lovebird, dass etwas „in der Luft lag“. Ursula rannte aufgeregt umher, sie vergaß sogar, als es Nacht wurde, die Tür des Hundezimmers zu verschließen, so dass sich Lovebird in den Garten schlich, um durch das halb geöffnete Fenster mitzubekommen, was sich in der Küche tat. Charlie folgte ihm.

Regungslos standen beide unter dem Küchenfenster und lauschten.

Nachts gegen halb zwölf hörten sie ein leises Fiepen, das immer lauter wurde und dann ein zweites und ein drittes. Zuletzt war es ein ganzes Fiepkonzert, das aus der Küche drang.

Als gegen Morgen Ursula die Tür der Küche zum Garten öffnete um mit der erschöpften Feja einen Gang durch den Garten zu machen, entdeckte sie die beiden.

„Euch können wir jetzt gar nicht gebrauchen“, rief sie amüsiert, verscheuchte die beiden ins Hundezimmer und schob den Riegel vor.

Fortsetzung folgt am nächsten Wochenende.

Nächste Folge bereits heute unter: https://tieremenschengeschichten.de.tl