22.01.2022: Fortsetzung - Teil 11


Im folgenden Frühjahr kam Bewegung in das Grenzgebiet. Oberstleutnant Wild war damit beschäftigt den Abbau der Selbstschussanlagen zu überwachen. Anschließend kamen Spezialisten, um die vergrabenen Minen zu entsichern und abzutransportieren.

Joseph strich Lucas übers Fell und flüsterte ihm zu:

“ Das tun sie für dich, du Grenzgänger. Du musst dich schon entscheiden: pflichtbewusster Parteihund oder Liebhaber der „Wessi - Setter“-Hündinnen. Könntest du lesen, wüsstest du, dass es seit letztem Jahr die Verordnung zur Familienzusammenführung zwischen Ausländern und DDR-Menschen gibt. Und du bist doch ein Mensch und kein Hund bei deinen hohen Ehrungen. Und du bist ja auch manch einem „homo sapiens“ überlegen, denn du kapierst schneller als mancher Zweibeiner und bist treuer und weniger verlogen.“

Der alte Wild konnte seinem Sohn aber die wahren Gründe für die Grenzumbauten nennen: „Ein Milliardenkredit, den der gewiefte Schalk und der dicke Bayer Franz Joseph ausgehandelt haben, lässt Wunder geschehen. Scheinbar pfeifen wir aus dem letzten Loch und brauchen die Hilfe des „Klassenfeindes“, meinte er.

Joseph war mal wieder erstaunt über die Informationsquellen seines Vaters, welche dieser auch seinem Sohn nie preisgab. Die Verbindungen des alten „Fuchses“ schienen aber weit nach oben zu reichen. An einem verregneten Abend machte Oberstleutnant Wild nur widerwillig seinen letzten Kontrollgang. Er forderte Lucas auf ihn zu begleiten, doch dieser rollte sich auf seiner Decke zusammen und tat so als würde er schlafen.

„Faulpelz“ schimpfte Joseph und er verließ allein die Stube. Als er gerade dabei war, missmutig die Außentür der Kaserne zu öffnen, wurde er aus seiner Lethargie gerissen. Eine Leuchtrakete bohrte sich in ungefähr 200 Meter Entfernung in den Himmel.

Es folgte ein ohrenbetäubendes Sirenenheulen. Joseph drückte den Alarmknopf und ließ die Mannschaft antreten.

Es dauerte nicht lange, da tauchten zwei Grenzsoldaten auf, die eine weinende Frau vor sich her schubsten. Sie war durchnässt und beteuerte immer wieder:

„ Ich habe doch nur diesen kleinen Ausreißer gesucht“.

In ihrem Arm hielt sie ein kleines nasses fiependes Bündel. „Nenne uns sofort deine Helfer, wenn wir sie finden, werden wir sie erschießen“, brüllte Feldwebel Schneider, der für seine Linientreue bekannt war.

Er war euphorisch und überdreht. Er stieß die Frau wieder nach vorne.

Das Bündel glitt ihr aus dem Arm und ein durchnässter kleiner Setter fiel zu Boden.